Beschreibung: | Der Ausdruck ‚Hermeneutik’ wird im Rahmen der Literaturwissenschaft meist im Sinne (i) einer Methodenlehre des Verstehens bzw. der Interpretation oder (ii) einer theoretischen Beschreibung von Verstehensprozessen verstanden (vgl. Hermeneutischer Zirkel). Methodenlehren der Interpretation sind Auslegungslehren: Sie spezifizieren, was das Ziel einer Textauslegung ist, was man tun muss, um das fragliche Ziel zu erreichen, und woran man erkennt, ob man das Ziel erreicht hat. Die theoretische Beschreibung von Verstehensprozessen versucht dagegen, auch solche Prozesse zu erfassen und zu erläutern, die nicht den bewussten Entscheidungen von Interpreten unterliegen (‚sub-personal processes’). Methodenlehren des Verstehens gibt es schon seit der Antike. Sie sind z.T. für unterschiedliche Disziplinen entwickelt worden; entsprechend unterscheidet man z.B. eine theologische, eine juristische oder eine literaturwissenschaftliche Hermeneutik. Für die Literaturwissenschaft besonders wichtige Stationen in der Geschichte der allgemeinen Hermeneutik sind die Werke von Schleiermacher und Gadamer. In der literaturwissenschaftlichen Theoriediskussion des 20. Jahrhunderts sind hermeneutische Ansätze unter anderem von Vertretern der Dekonstruktion oder auch der Empirischen Literaturwissenschaft stark kritisiert worden; insbesondere gilt dies für eine intentionalistische Hermeneutik (vgl. Intention), wie sie etwa von E.D. Hirsch entwickelt wurde. ‚Hermeneutik’ gilt dabei meist als Bezeichnung für einen homogenen literaturwissenschaftlichen Ansatz oder eine geschlossene Theorie (beides kann bezweifelt werden). In der Praxis des Faches sind hermeneutische Verfahren nach wie vor weit verbreitet. |