Beschreibung: | Der Begriff ‚Sozialgeschichte der Literatur’ wird in der Literaturwissenschaft unterschiedlich weit verwendet. (1) In einem engeren Sinne wird die Richtung der gesellschaftswissenschaftlich begründeten Literaturtheorien als ‚Sozialgeschichte der Literatur’ bezeichnet, die seit Mitte der 1970er bis Ende der 1980er Jahre im deutschen Sprachraum besonders fruchtbar war und neben zahlreichen sozialgeschichtlichen Interpretationen auch groß angelegte Literaturgeschichten hervorgebracht hat. (2) In einer weiten Begriffsverwendung bezeichnet der Begriff jede Literaturtheorie, die gesellschaftlichen Strukturen einen bestimmenden Einfluss auf die Literatur zugesteht. Sozialgeschichtliche Theorieansätze beziehen sich auf neuere Gesellschaftstheorien und betrachten Literatur als Bereich sozialer Kommunikationshandlungen, der sich als System (z.B. als ‚Sozialsystem Literatur’) oder als soziales Kräftefeld (Bourdieu) konzipieren lässt. Dieser Bereich steht in Wechselbeziehungen mit anderen gesellschaftlichen Systemen. Je nach Untersuchungsperspektive lassen sich literarische Texte als Bestandteil sowohl des Symbolsystems als auch des Sozialsystems einer Gesellschaft bzw. Kultur untersuchen. Gefragt wird im Einzelnen nach den Merkmalen von Literatur als soziale Institution, nach dem Einfluss sozio-historischer Faktoren auf literarische Entwicklungen, nach Handlungsrollen, Werten oder Normen in der Produktion, Vermittlung und Rezeption von Literatur oder nach den sozialen Wirkungen literarischer Texte und Akteure (vgl. Rezeption und Wirkung). Mit diesem Fokus auf Wechselwirkungen zwischen literarischen Strömungen und sozialen Entwicklungen werden sowohl literaturgeschichtliche Phänomene als auch gegenwärtige Prozesse des Literaturbetriebs untersucht. Verbreitet sind insbesondere systemtheoretische Untersuchungen in der Tradition Luhmanns sowie feldtheoretische Studien im Anschluss an Bourdieu. |